Hallo, mein lieber xxx! Ich hoffe, dass es dir gut geht. Ich freue mich dir nach einem anstrengenden Tag in Moskau zu schreiben. Nachdem ich damit fertig werde, werde ich meine Sachen packen und mit dem Zug nach Izhevsk zurück fahren. Melde dich bitte bei mir, dass es dir gut geht. Ich hoffe darauf!
Ich werde dir über alle meinen Nachrichten von diesem Tag der Reihe nach erzählen, ich habe aber nicht so viel Zeit, um alles zu erzählen, verzeihe mir das bitte… Mein Zug fährt nach Izhevsk in 3 Stunden 45 Minuten ab…
Heute stand ich um 7 Uhr auf, frühstückte und fuhr sofort nach der Botschaft um mit dem Konsul zu reden. Ich dachte, ich hätte Termin und kam in die Botschaft im Voraus, um sich nach der Zeit meines Termins zu erkundigen und dann ruhig aufs Gespräch zu warten. Und da erfuhr ich, dass man einfach Schlange stehen muss. Es gab da sehr viele Leute, die Visum bekommen wollten. Um 14 Uhr wurde ich endlich ins Zimmer eingeladen. Man sagte mir, dass dieses Gespräch sehr anstrengend und unangenehm sein sollte. Ich musste mich dafür so gründlich vorbereiten, dass ich jetzt ruhig einen Termin bei dem Präsidenten Russlands haben kann. Ich erzähle dir aber der Reihe nach. Im Zimmer saß ein kleiner rothaariger Mann, so nichts Besonderes. Er starrte mich an, als ob er mich verhören müsste. Die Mitarbeiter des Reisebüros rieten mir aber, ruhig und höflich zu sein, sogar wenn man zu mir grob wäre. Der Deutsche fragte mich über den Zweck meiner Reise nach Deutschland. In diesem Moment schien es mir, als ob er einen schwarzen Anzug mit totem Kopf und Blitz wie in alten Filmen über SS trug.
Die Reisebüroangestellten haben mir empfohlen, beim Vorstellungsgespräch in der Botschaft über mein echtes Reiseziel nicht zu erzählen. Die Information über meine Beziehung mit dem deutschen Bürger könnte in meinem Fall nur stören das Visum zu bekommen oder sogar zur Absage führen. Ich habe mich doch um das Visum der C-Kategorie (Kategorie I) beworben, es ist ein kurzfristiges Schengen-Visum, es ist ziemlich leicht zu bekommen. Es geht darum, dass die Botschaft zu den Touristen sehr verdächtig ist, die sich um das Visum der D-Kategorie (Kategorie II) bewerben, es ist ein Nationalvisum. Dafür braucht man eine Menge von Unterlagen zu sammeln und man muss länger auf die Entscheidung warten. Das deutsche Visum der D-Kategorie kann nur in einigen Monaten ausgegeben werden. Es ist eine lange Prozedur. Genau deswegen wurde es mir von den Fachleuten empfohlen, sich um das Schengen-Visum der C-Kategorie zu bewerben, um zum ersten Mal nach Deutschland zu reisen.
Ich antwortete ruhig, dass ich mich vor allem für die Kultur und Geschichte von so einem schönen Land interessiere. Meine Antwort schien ihm zu gefallen und sein Gesicht wurde freundlicher. Der Deutsche schaute alle meinen Unterlagen durch, einige Papiere sogar zweimal. Vielleicht suchte er nach etwas. Ich saß und guckte und plötzlich begann mein Mund allmählich zu lächeln. Ich konnte mir so eine Schwäche nicht leisten, deshalb grinste ich nur leicht. Der Mann schaute mich an und fragte, warum ich lache. Er meinte, er schien mir lächerlich zu sein. Ich sah direkt in seine Augen und antwortete: „Nein, ich freue mich einfach sich in diesem Gebäude zu befinden“. Es war natürlich dumm, gefiel ihm scheinbar trotzdem. Gut, dass ich alle nötigen Papiere hatte. Dann fragte mich der Deutsche, ob ich in Deutschland Verwandten hätte. Ich antwortete, dass ich keine Verwandten in Deutschland habe. Ich wollte zuerst ihn fragen, warum er sich dafür interessierte, dann kapierte ich aber, dass es vielleicht für die Sache wichtig war, ob man zu seinen Verwandten fährt oder einfach so.
Da fragte mich der Mann plötzlich: „Wenn Sie wirklich nach Deutschland fahren, um unsere Kultur näher kennen zu lernen, könnten Sie mir bitte dann vielleicht sagen, welche deutsche Schriftsteller kennen Sie?“ Das war eine sehr leichte Frage für mich. Jeder russische Schüler muss in der Schule „Faust“ von Goethe lesen, manche kennen auch Schiller und Feuchtwanger.
Als ich aber versuchte ihm Gottfried Benn auf Deutsch vorzulesen, gab er auf und wurde sehr freundlich zu mir. Es ist alles sehr gut gelaufen, worüber ich mich sehr froh bin.
Um dich nach dem Durchlesen vom solchen anstrengenden und inhaltsreichen Brief zu amüsieren, möchte ich dir von einem typisch russischen Zug erzählen, ich fuhr nach Moskau mit dem ähnlichen Zug. Die Fahrt mit dem Zug ist in Russland ziemlich anstrengend… Es ist immer lange und unbequem. Der Zug fährt weit, langsam und hat weniger Komfort. Wenn man ausführlich darüber spricht, so schicke ich dir vor allem im Anhang zu dieser Meldung die Bilder, wie ein gewöhnlicher Wagen von einem gewöhnlichen russischen Zug drin und von außen aussieht. Pass bitte auf, dass diese Bilder nicht von mir gemacht wurden. Ich habe extra im Internet ähnliche Bilder des russischen Zugs gefunden, damit du dir dieses Ding gut vorstellen könntest. Auf dem 1. Bild siehst du einen gewöhnlichen russischen Zug, auf dem 2. Bild siehst du ein Fenster in der Abteilung im Platzkartenwagen. Jede Abteilung im Platzkartenwagen hat 4 Schlafbänke, 2 unten und 2 oben. Das Bild von einer unteren Schlafbank kannst du dir auf dem 3. Bild ansehen. Auf dem 4.Bild ist die obere Schlafbank im zugeklappten Zustand, und auf dem 5. Bild siehst du ein Waschbecken im WC eines Zuges. Die Fahrt mit dem Zug in der Richtung von Izhevsk nach Moskau kostet 47 Euro + 5 Euro für saubere Bettwäsche. Das WC stinkt unvergesslich:-) 95 von russischen Einwohnern reisen nur mit dem Zug, weil es zu teuer ist, mit dem Flugzeug innerhalb Russlands zu reisen. Der Flug von Izhevsk nach Moskau kostet 130 Euro. Die Entfernung zwischen diesen zwei Städten ist 1100 Kilometer. Die Flugzeuge, die innerhalb Russlands fliegen, sind gewöhnlich etwa 30 Jahre alt. Ich habe aber vom Thema abgekommen, so kehre ich wieder zu meiner Erzählung zurück, was ich während meiner Reise mit dem Zug machte. So redete ich mit einer Frau und las ein Buch. Die Fahrt war sehr öde. Ich habe auch vergessen, dir zu erzählen, dass durchschnittliche Geschwindigkeit eines Zuges in Russland 60-70 Kilometer pro Stunde ist. Es gibt bei uns noch keine modernen Geschwindigkeitszüge. Wir können von solchen Zügen nur träumen. Der Geschwindigkeitszug von deutschem Hersteller Siemens mit dem stolzen Namen Sapsan verbindet nur Moskau und Sankt-Petersburg. Seine maximale Geschwindigkeit ist 180 Kilometer pro Stunde. Die Entfernung ist 750 Kilometer. Die Fahrt mit diesem Zug kostet 230 Euro. Es ist verrückt teuer für einen Durchschnittrusse.
Ich habe ganz vergessen, dir mitzuteilen, dass obwohl mir mein Visum heute ausgegeben wurde, wird es nur ab 15.Oktober 2015 bis zum 13.Dezember 2015 gültig!!!
Damit muss ich leider meinen Brief beenden, ich muss bald zum Bahnhof fahren. Ich habe ein leichtes Reisefieber und hoffe, dass alles in Ordnung wird. Ich denke an dich die ganze Zeit!!!
Deine Tascha.